2019: Masserberg am Rennsteig
DIE TOUR 2019 AM RENNSTEIG
Masserberg, ein 2.000-Seelen-Örtchen in der leicht morbiden Abgeschiedenheit des Thüringer Walds, diente vom 19. bis 22. September 2019 für einige Tage als Basisstation für die ehrgeizigen Erkundungsprojekte der Herrenwanderer. Im „Haus Oberland“, das Tourmaster Dubai-Daum ganz gelassen und ohne große Ausschreibung gebucht hatte, bezog die acht Mann starke Truppe ihr ebenso funktionelles wie artgerechtes Quartier und startete von dort aus zu neuen Abenteuern. Nach dem erfolgreichen Abschluss der ambitionierten Exkursionen stand fest: Wieder einmal war’s eine rundum gelungene Tour und somit ein weiteres erinnerungswürdiges Ereignis in der langen Geschichte der Herrenwanderer!
Was vorher geschah ...
Lange hüllte sich Tour-Organisator Dubai-Daum in Schweigen. Zweifel kamen auf: Würde die Tour 2019 überhaupt stattfinden? Hatte sich der Tourmaster möglicherweise in die Arabischen Emirate abgesetzt? Dann die Erlösung in Form einer nüchternen Ansage per E-Mail: An den Rennsteig sollte es gehen, so wie schon 1992 (Brotterode/Trusetal/Großer Inselberg/Ferienheim VEB Robotron) und 2014 (Oberhof/Sportstätten). Nachdem das Zielhotel „Haus Oberland“ in Masserberg von der Mehrheit der Teilnehmer gegoogelt worden war, stand fest, dass eine truppenadäquate Herberge auf die Wanderer wartete. Die Mannschaft war mehr oder weniger vollzählig. Nur ein Mann mit Prinzipien – „Lonely Wolf“ Joe – hatte sich für eine Auszeit entschieden. Suum cuique.
Donnerstag, 19. September 2019
Vom Ärztehaus in Rüsselsheim startete O’ Hara zusammen mit dem Tourmaster, Bushido, van Benderchem und Titterich in einem silbernen Mercedes Diesel 6d und somit ökologisch vorbildlich. Andere reisten individuell an: Schoko aus Kassel, der Schweiger aus Dresden. Wie sich herausstellte, war auch der größte zur Verfügung stehende Kombi für fünf starke Kerle zu klein: Eine Rast in dem bereits von der Herrenwanderung 2015 bekannten Schlüchtern wurde erforderlich, wo sich das Mercedes-Quintett im Eiscafé „Ciao Ciao 2.0“ den Nachmittag versüßte. Die Weiterreise kam später erneut zum Stillstand durch das termingesteuerte Bedürfnis des Tourmasters, sich aus einer großen Tüte mitgebrachter Zutaten einen zwingend erforderlichen Ernährungs-Shake zuzubereiten. Gegen 19 Uhr war endlich das Ziel erreicht.
Bereits eine halbe Stunde folgte später das obligate gemeinschaftliche Abendessen in dem herzallerliebst hergerichteten Gastraum. Zu deftigen Speisen gab es würziges Bier aus der Region, darunter auch ein dunkles namens „Raubritter“. Später gesellte sich ein roter „Poet“ in Form von Rebensaft zur Runde. Während in Jahre zurückliegenden Zeiten der Auftaktabend fast immer ausuferte, blieb es diesmal bei freundlicher Ausgelassenheit; weit vor Mitternacht verabschiedeten sich die Herren auf ihre Stuben.
Freitag, 20. September 2019
Beim Frühstück gegen 8 Uhr imponierte Tourmaster Daum mit einer roten 920g Tonne Eiweißkonzentrat („100 % Whey Protein Professional“), die er rücksichtsvoll an einem Extratisch unter sein Müsli rührte, nachdem ihm die Wirtin heißes Wasser angereicht hatte. Die anderen Herrenwanderer – schlecht- bzw. unterernährt – begnügten sich gerne mit der Normalkost des Hauses. Gegen 9.30 Uhr stieß Schlock zur Truppe, konnte noch schnell einen Kaffee trinken (Bananensaft war aus) – und dann ging’s schon los. Bei bestem Wetter und ebensolcher Laune erreichten die Herrenwanderer nach gefühlt wenigen Minuten bereits die erste Raststätte, direkt an der Werraquelle. In dem folgerichtig
„Werraquell Hütte“ benannten Etablissement fand eine erquickende Pause statt (mit Radler, Bier, Kaffee und sogar zwei Suppen). Anschließend kurzes Füßevertreten bis zur
Rennsteigwarte Masserberg, Aufstieg zum Aussichtsturm daselbst, danach beschwingter Rückmarsch über den Rennsteig zur Basisstation („Haus Oberland“). Die aufkommende Fragestellung, ob man zur Mittagszeit im Hotel etwas zu essen bekäme, beantwortete der gut vorbereitete Tourmaster mit den freundlichen Worten: „Ich geh mal davon aus, ich hab’ mein Essen auf dem Zimmer“.
Nach kurzer, jedoch dringend benötigter Mittagsruhe machten sich die Herrenwanderer dann um 14.30 Uhr mit zwei Fahrzeugen auf in die etwa 45 Minuten entfernte Bezirksstadt Suhl, wo die Besichtigung eines
Fahrzeugmuseums auf dem Programm stand. Zuvor war freilich noch ausreichend Zeit, um Kaffee, Eis und Wespen zu sich zu nehmen. Nach einem kleinen, orientierungslosen Verdauungsspaziergang erreichte man gegen 15:30 Uhr das besagte Museum. Dort folgte eine sehr interessante und aufschlussreiche Führung durch den eigens bestellten Experten Dr. Hartmut Goebel, der die Genesis und Vorzüge der Weltfirma Simson und das Schicksal und den Niedergang verschiedene Fahrzeugfirmen in der früheren Deutschen Demokratischen Republik in einer sehr kompetenten und humorvollen Weise erläuterte.
Gegen 18.30 Uhr waren die Herrenwanderer dann zurück in Masserberg, wo im „Haus Oberland“ mächtig gezecht wurde. Unbestätigten Berichten zufolge fielen – nach Einstimmung mit einigen Bierchen – insgesamt sechs Flaschen Rotwein (darunter noch die Restbestände des „Poeten“ vom Vorabend und mehrere süffige Spanier) sowie eine 0,375-Liter-Flasche Dessertwein dem Durst der Herren zum Opfer. Der Gastwirt musste bei manchen Weinen schließlich den Offenbarungseid leisten: Die Bestände waren aufgebraucht. Zur Stimmungssteigerung trug bei, dass im Saal nebenan eine fröhliche Geburtstagsfeier über die Bühne ging. Die Truppe ließ sämtliche Hemmungen fallen, als eine kesse Dame an den Tisch trat und nach einem Glas Rotwein verlangte. Erste Spontanäußerungen („Bestell’ ’ne Flasche“) verklangen schnell, aber 0,2 Liter wurden letztlich doch bereitwillig gespendet, um das Verlangen der durstigen Dame zu stillen. Wenig später stellte sich dann auch der 60-jährige Jubilar kurz der Runde vor, hinterließ jedoch einen etwas biederen Eindruck. Reichlich benebelt suchte man gegen 0 Uhr die Betten auf, ehe das Dunkel der Nacht den Geist der Truppe umhüllte.
Samstag, 21. September 2019
Die Sonne lachte durch die angenehm frische Luft: großartige Rahmenbedingungen für den Höhepunkt der Herrenwanderung 2019 – ein 16 Kilometer langer Marsch unter Führung eines 80-jährigen ostdeutschen Originals namens Horst Golchert, der seit über 40 Jahren in der Region als Wanderführer unterwegs ist. Das frühere Mitglied der Nationalmannschaft der DDR in der
nordischen Kombination erwies sich als fachlich kompetente Seele von Mensch. Lage, Herkunft und Schicksal jedes einzelnen Rennsteig-Grenzsteines konnte er souverän erklären. Eine Rast im Flecken
Friedrichshöhe bei Nudelsuppe und halbmeterlangen Thüringer Bratwürsten spendete Kraft für den Rückmarsch, wobei sich die fleischlose Titte zuvor noch rhetorischer Angriffe des „Gastwirts“ erwehren musste. Sehr humorvoll erzählte Horst die Geschichte von Joseph, einem Freund Österreich-Ungarns, der zu seinen Lebzeiten jahrelang in Friedrichshöhe dem sozialistischen Einheitsstaat immer wieder die schwarzgelbe Flagge von Kaiser Franz und Kaiserin Sissi entgegenhielt. Auch der letzten Ein-Klassen-Schule der DDR wurden die Wanderer ansichtig, jedenfalls im Vorübergehen. Auf dem Rückweg gab es noch einen Abstecher in die
„Fliegerbar“ in Masserberg, Kultlounge und Treffpunkt von Militärpiloten mit Wänden voll eindrucksvoller Bildern und Sprüche von und über die Luftwaffe.
Nach einer etwa zweistündigen Ruhephase sammelte sich die Truppe zum Abschiedsessen in der
„Schönen Aussicht“ – einem Lokal, das zunächst falsch verortet worden war und somit erst nach einem Umweg erreicht wurde. Dafür war die Aussicht tatsächlich schön. Zwischen Vorspeise und Hauptgang informierte der Tourmaster die Truppe en passant über das Ableben von Franz Bach, seines Zeichens Bodybuilder und Kultfigur der Herrenwanderer. Dass der Mann, dessen Name für immer mit einer maßgeblichen und nachhaltigen Belebung des Vokabulars aller Herrenwanderer verbunden sein wird, am 23. Januar 2019 unverhofft in Gras hatte beißen müssen, nahm der Großteil lediglich eher teilnahmslos und schmatzend bei einem beherzten Biss ins Fleischgericht zur Kenntnis. Eine größere Würdigung blieb aus, ebenso eine Gedenkminute. „Es gibt keine Freunde, es gibt nur Neider“, hätte Bach wohl dazu kommentiert.
Da die Kaffeemaschine schon sauber gemacht war und der Koch sämtliche Nachspeisen offenbar selbst gefuttert hatte, blieb gegen 21.30 Uhr nur die Möglichkeit zum geordneten Rückzug. Ein Teil suchte die bereits erwähnte „Fliegerbar“ für einen Absacker auf und genoss dort die Schlagermusik der siebziger Jahre. Doch die Energie früherer Zeiten kommt wohl nicht wieder (zumal nach dem Exzess des Vorabends): gegen 22.30 Uhr war definitiv Schluss.
Sonntag, 22. September 2019
Trotz herrlichen Wetters war auch 2019 kein Teilnehmer zu einem gemütlichen Halbtages-Appendix der Veranstaltung zu überreden. Vielmehr setzten nach dem Frühstück wieder die bekannten Fluchtbewegungen Richtung Heimat ein. Vorher aber ernannte man bereits die Tourmaster für die nächsten beiden Wanderungen: Schlock (17. bis 20.09.2020) und Titte (2021) werden die Drehbücher für die nächsten Kapitel der Herrenwanderer-Geschichte liefern. Resümee für 2019: Eine sehr gelungene, harmonische Tour bei optimalem Wetter. Dank sei Dubai-Daum – Fortsetzung folgt im nächsten Jahr!