2020: Drolshagen, Rothaargebirge
Eine besondere Wanderung ...
2020 – what a year! Nicht nur, weil ein kleines Virus weltweit die Rahmenbedingungen unseres Lebens verändert hat, sondern auch (und vor allem!), weil dieses Jahr die sagenhafte dreißigste Wiederkehr der „Herrenwanderung“ markiert. Das Jubiläum stellte die mittlerweile betagten Tourteilnehmer freilich auch vor eine emotionale Herausforderung: 2020 musste die Truppe erstmals ohne O’ Hara und somit ohne einen ihrer stärksten Motoren in die Gänge kommen. Das fiel vor allem im Vorfeld der Veranstaltung nicht allen leicht, doch mit jedem Schritt blieb die Schwermut mehr auf der Strecke und es wuchs die Zuversicht, dass die Idee der „Herrenwanderer“ auch weiterhin Zukunft hat – zumal sich schnell herausstellte, dass unser Freund O’ Hara in Gedanken ganz bestimmt auch weiterhin mit uns wandern wird.
Donnerstag, 17. September 2020
Es begann wie immer! Vor dem Ärztehaus der Opelstadt fand sich das Gros der Wanderwilligen pünktlich gegen 14.30 Uhr ein – lediglich Joe hatte sich wie gewohnt für eine individuelle Anreise entschieden, und auch Dr. Schoko wählte von Kassel aus den direkten „smarten“ Weg. Wer vor dem Start genau hinschaute, der entdeckte in Rüsselsheim schnell ein neues Gesicht: Ove-Jens Jahn alias „O-Jay-Jay“, in den achtziger Jahren Mitglied der Marxstraßen-Kommune, fuhr mit gestutzter Lockenpracht im schwarzen VW Multivan vor, um als erster Neuzugang in der Geschichte der Herrenwanderer sein Debüt zu geben. Schieben wir’s nicht auf die lange Bank: Er bestand die Aufnahmeprüfung mit Bravour! Kein Wunder, denn als erfahrener Kranich-Pilot brachte er beste Voraussetzungen mit, um für frischen Wind zu sorgen und auftretende Turbulenzen im Nu gekonnt abzufedern. Tourmaster Schlock hatte unmittelbar vor dem Start schon die erste Überraschung parat – in Form von personifizierten und liebevoll per Hand bemalten Virenschutzmasken aus Staubsaugertüten-Zellstoff, die er jedem Teilnehmer in doppelter Ausfertigung in die Hand drückte.
Dann ging’s los gen Drolshagen, in besagtem VW Multivan sowie Schlocks güldenem bajuwarischem Mobil. Knapp zwei Stunden später, gegen 17 Uhr, konnten die Zimmer in der
„Alten Quelle“ direkt an der Hauptstraße bezogen werden. In unmittelbarer Nähe des Zielortes liegen übrigens zwei in Corona-Zeiten besonders bemerkenswerte Flecken: Husten und Halbhusten. Darauf einen Räusperer! Als die Truppe ankam, war bereits Dr. Schoko vor Ort, wohingegen Joe zunächst durch unverschuldete Abwesenheit glänzte. Telefonisch ließ der Richter aus Rödermark dann verlautbaren, dass er mit einem Reifenschaden auf der Audibahn gestrandet sei – für Joe ein höchst unerfreuliches Déjà-Vu, nachdem ihm dasselbe Malheur bereits vor einigen Wochen in der Schweiz passiert war. So traf unser Freund erst kurz vor 19 Uhr mit einem roten VW Golf-Leihwagen in Drolshagen ein und machte sich dort sofort auf in das von einem kroatischen Gastwirt betriebene
„Steakhaus Schürholz“, direkt gegenüber von unserem Quartier, wo er die bereits eine Dreiviertelstunde „warmgelaufene“ Truppe schon bald lautstark parlierend in seinen Bann zog. Neben einer fundierten Analyse des Corona-Geschehens ging es um Familienangelegenheiten, kennerhaft beurteilte Rotweine sowie um eine nach wie vor beliebte nachmittägliche Freizeitbeschäftigung des Hüters von Recht und Ordnung. Immerhin: Auch andere in der Runde kamen dann und wann zu Wort. Zu ziviler Zeit endete der erste Abend – ohne größeres Tamtam.
Freitag, 18. September 2020
Nach einem sehr frühen Frühstück kurz nach 7 Uhr mit Eierspeisen unterschiedlichster Darreichungsform brachen die Herrenwanderer motorisiert zu einer Führung durch das Unternehmen
„Kemper“ im nahe gelegenen Olpe auf, wo man die Produktion von Kupfer- und Legierungsbändern für die Automobil- und Elektrobranche interessiert unter die Lupe nahm. Eingefädelt hatte das Spektakel unser gewiefter Tourmaster Schlock, indem er Beziehungen aus seiner aktiven Berufszeit zu einem gewissen Stephan Hansmann geschickt reaktivierte und zum Wohle der Wanderer nutzte. Diese staunten nicht schlecht, wie viele Arbeitsschritte notwendig sind, damit schließlich ein dünnes Kupferband entsteht, aus dem dann Kontakte für Steckverbinder (möglicherweise auch für Bananenstecker!) herausgestanzt werden. Unglaublich auch der Wert von Zinkblöcken, die reihenweise aufgestapelt im Eingang des Werks herumstanden: Angeblich kostet einer so viel wie ein Einfamilienhaus. Beeindruckt schlurften die Herren unter der fachkundigen Führung von Hansmann & Co. in zwei Gruppen durch die Hallen, ehe man schließlich gegen Mittag in Richtung
Biggesee fuhr, um sich dort im Café Restaurant
„see:sicht“ erst einmal beherzt mit einer Mahlzeit zu stärken. Beim Biggesee handelt es sich übrigens um einen der größten Stauseen Deutschlands. Zwischen 1956 bis 1965 entstanden, dient er vor allem der Wasserversorgung des Ruhrgebiets.
Es folgte der sportliche Höhepunkt des Tages, eine nachmittägliche Freizeitbeschäftigung der besonderen Art: 12 Kilometer Wandern bei strahlendem Sonnenschein, vorbei am längst nicht mehr politisch korrekten Örtchen Neger; ein Teil der Herren schaffte es zum Schluss bis zur 90 Meter hoch gelegenen, futuristisch anmutenden Aussichtsplattform
„Biggeblick“, von wo aus der Blick in die weite Ferne schweifen konnte. Danach Kaffee mit Wespen und überteuertem Speiseeis im touristisch stark frequentierten
„Leuchtturm am See“, ehe Titte per App neun Tickets bei der Personenschiffahrt Biggesee orderte – und wenig später neun QR-Codes auf dem Display seines Smartphones entdeckte. Mit dem Galerieschiff
„MS Westfalen“ ging es wenig später auf der Wasserstraße nach Sondern und von dort aus zurück ins Quartier, wo alle ein wenig ruhten, ehe gegen 19 Uhr – diesmal in der „Alten Quelle“ – die abendliche Aufnahme von Speisen und Getränken startete. Derweil der FC Bayern im ersten Spiel der neuen Bundesligarunde aus Schalke 04 Schalke 0:8 machte, drehten die wohlig ermatteten Herrenwanderer manch heikles Thema durch den rhetorischen Wolf, wie immer garniert von ausgelassenen Lachsalven. Auch Kemper-Marketier Stephan Hansmann ergänzte kurz die Runde, die das kupferfarbene (!) Bergische Landbier in Strömen fließen ließ.
Samstag, 19. September 2020
Beim Frühstück gab es engagierte Diskussionen zum Thema Sprachkorrektheit und Gendersternchen – und der beste Merksatz dazu kam von Dr. Schoko:
„wer kleinschreibt glaubt, dies sei bestechend; indes er schreibt nur seinem geist entsprechend“. Wenig später schon war die Truppe wieder voll auf Touren, diesmal – erneut bei herrlichem Wetter – vom Wanderparkplatz „Kalberschnacke“ aus rund um die
Listertalsperre, die eine Art Vorbecken des Biggesees bildet. Mittags Einkehr im
„Haus Dumicketal“, dem „Haus für nette Menschen“, wo uns ein zunächst eher in sich gekehrter Kellner mit grünem „S04“-Tattoo am rechten Unterarm Speisen servierte, die ganz nach dem Geschmack der Truppe waren (okay … bis auf die etwas versalzenen Pommes frites eines einzelnen Herrn). Vor dem Aufbruch inspizierten Teile der Truppe noch eine von der Wirtin untertänigst „die Königin“ genannte Harley in einem Schuppen des Hauses. Dann Rückmarsch (vorbei an einer ganz besonderen
Baumschule), Rückfahrt – und Verwunderung, als diejenigen, die morgens ihre Zimmerschlüssel abgegeben hatten, im Drolshagener Quartier um 16 Uhr vor verschlossenen Türen standen.
Die Zeit bis zur Schlüsselausgabe überbrückte man mit Eisspezialitäten bei „San Remo“ am Drolshagener Marktplatz. Abends erneut Trinkexzess im Séparée der „Alten Quelle“, dem auch unser schmerzlich vermisster Freund O’ Hara in Form eines großformatigen Fotos beiwohnte. Höhepunkte im Verlauf des Abends waren die Forschungsarbeiten, die Dubai-Daums Lebensgefährte Penninger in der Bluse der plötzlich im Raum stehenden Köchin unternahm, sowie Jürgens Schulzeitbeichte, die sich wie eine Schlagzeile der „Bild“-Zeitung liest:
„Paul Schäfer betatschte mein Hinterteil“. Vieles ging in brüllendem Gelächter unter; die Story wird unter dem Stichwort „Musculus Gluteus Maximus“ in den Annalen der Herrenwanderer abgelegt.
Sonntag, 20. September 2020
Schon früh lag die übliche Aufbruchstimmung in der Luft. Penninger kehrte – nachdem er ausgiebig mit der Köchin gepennt hatte – zur Truppe zurück und konnte somit (wie alle anderen auch) eine äußerst positive Bilanz der von der Sonne verwöhnten Wanderung ziehen. Dann nahmen die Herren Aufstellung fürs traditionelle Gruppenfoto, ließen die Motoren an und entschwanden mit vielen schönen Erlebnissen im Kopf in ihren Alltag. Doch merke: Nach der Tour ist vor der Tour. Und der 16. September 2021 kommt schneller als man denkt! In diesem Sinne: See you next year!

