2024: Trendelburg in Oberhessen
Burgherren!
– Zwischen Schwachsinn, Tiefsinn und Wahnsinn –
Ode auf die Trendelburg
Im schönen Oberhessenland
thront eine Burg seit Jahr und Tag
sie ist im Umkreis sehr bekannt
wohl, weil sie immer schon dort lag.
Sie war der Schauplatz vieler Kriege
war wild umkämpft und heiß begehrt
Sie war die Bühne vieler Siege
und immer blieb sie unversehrt.
Die Trendelburg, sie hat Geschichte
jedoch machte der Lauf der Zeit
so manche Heldentat zunichte:
verblasster Ruhm, Vergangenheit!
Heut’ dient sie nur noch als Kulisse
als „Gast-im-Schloss“-Szenarium
Manch alte Ritterwand trägt Risse
Der Geist von einst – ein Vakuum.
Doch noch geschehen Zeichen, Wunder:
Die Burg, sie wurde neu beseelt!
Schnell ging’s dort wieder drüber, drunter
als hätte nie ihr was gefehlt.
Bevor’s verrät ein Anderer
wer Leben frisch ihr hauchte ein:
Es war’n die Herrenwanderer
(sie laufen meistens querfeldein).
Mitte September kamen sie
und nahmen flugs die Burg im Sturm
sie fraßen, soffen, schrien wie Vieh
erklommen schließlich auch den Turm.
Die Burg samt ihrem welk’ Gemäuer
diente den Herren als Plaisir
war ihnen lieb (und auch sehr teuer)
ein memorables Souvenir.
Aber der Spuk war schnell zu Ende
die Wandersleut’ blieben nicht lang’
schon heute sind die Jungs Legende
als Renaissance von Sturm und Drang ...
Aufzeichnungen des Burggeists
Prolog
Schon im Vorfeld der Herrenwanderung wurde es diesmal spannend … leider unverhofft spannend. Denn unseren langjährigen Mitwanderer van Benderchem ereilte am 3. September im Urlaub im österreichischen Waldviertel ein Herzinfarkt. So durfte er erstmals in seinem Leben mit einem Hubschrauber fliegen – in die Kreisklinik in St. Pölten, wo er schnell mit einem Stent ausgestattet wurde. Die Teilnahme an der 34. Herrenwanderung (die Ur-Tour von 1990 nicht mitgezählt) kam deshalb für unseren Röhrendoktor, der bislang keine Wanderung verpasst hatte, nicht in Frage.
19. September 2024
So machten sich schließlich am 19. September nur sieben Herren – stimmungsmäßig leicht gedämpft, aber dennoch frohen Mutes – auf den Weg in die oberhessische Kleinstadt Trendelburg, die knapp 4.800 Einwohner zählt, noch vor wenigen Wochen von einer Flut heimgesucht worden war und von einem Burghotel gleichen Namens sozusagen „gekrönt“ wird. Dort (wo sonst?) stiegen die unermüdlichen Wanderer ab. Während Bushido, Dubai Daum und der Titterich emissionsfrei mit OJJs schneeweißem Tesla angereist waren und während Individualist und Tourmaster Joe wie immer mit drei freien Plätzen, dafür mit viel Verbrenner-PS ausgestattet vorfuhr, hatte der Wiedehopf – wie schon in den Vorjahren – die lange Strecke mit Muskelkraft und minimaler Akku-Unterstützung auf seinem treuen Pedelec bewältigt: Nach zwei Übernachtungen in Grünberg und Griffe sowie einem Abstecher zum „verlorenen Herrenwanderer-Sohn“ Dr. Schoko in Sandershausen bei Kassel, war er zweifellos Erster, als er die Burg bereits am Mittwoch erreichte. Offenbar nicht ausgelastet, unternahm er – bevor der Rest anrückte – am Donnerstagvormittag dann noch einen Ausflug mit seinem Rad nach Bad Karlshafen, wo die Herrenwanderer bereits im Jahr 2010 für Aufsehen gesorgt hatten. Den Rückweg mitgerechnet (und eine durch unfreundliches Wetter bedingte Zugfahrt in Abzug gebracht), steckten zum Schluss 400 Radkilometer in den Knochen des betagtesten Mitglieds der Truppe. Châpeau! Für einen leisen Eklat, nämlich dafür, dass die Herren auf den Hund kamen, sorgte mal wieder der umtriebige Schlock: Er brachte kurzerhand seinen 14-jährigen Vierbeiner Lotti mit. Doch nicht nur das: Die erste Nacht schlief er sogar mit einem „Burgfrollein“ auf dem Zimmer, denn auch Dörte, seine Lebensgefährtin, hatte ihn (auf der Fahrt zu ihrer Heimatstadt Wittenberge am nördlichen Ufer der Elbe) begleitet und in Trendelburg einen Zwischenstopp eingelegt. Als Tischdame des ersten Abends war sie meist stille Beobachterin des Geschehens (und oszillierte wahrscheinlich innerlich zwischen Amüsement und Entsetzen). Mit Blick ins Tal speiste die Truppe im XXL-Wintergarten der Burg – ein erstes Warmlaufen für den kommenden Tag.
20. September 2024
Am Morgen lag noch leichter Nebel im Tal – beschienen von der jungen Sonne, die die Herrenwanderer durch den Tag begleiten sollte. Optimale Bedingungen für eine harte Tour … freilich wurde nur ein altersgerechter Spaziergang durch Feld, Wald und Wiesen daraus. Tourmaster Joe konnte aufgrund gesundheitlicher Probleme leider nicht aktiv daran teilnehmen, denn ihm war Anfang des Jahres nicht etwa der Geduldsfaden gerissen, sondern die fiese Quadrizepssehne, die den Oberschenkel mit der Kniescheibe verbindet. Der OP im Februar folgte eine zähe Zeit der Rekonvaleszenz … sie dauert noch an. Immerhin: Die Stimmbänder des Tourmasters sind nach wie vor intakt – das hatten die anderen Sechs schon am ersten Abend schnell herausgefunden. Doch ernsthaft jetzt: Joes Wanderungen waren wie immer akribisch ausgearbeitet (auf die Minute sozusagen), doch die Genauigkeit der Planungen wurde dadurch abgemildert, dass er seinem Blutsbruder und Frohgeist Bushido aufgrund eigener Trittschwäche die Führung übertragen hatte. So startete man samt der russischen Zarenzucht Lotti am
Tierpark Sababurg, angetrieben von einer optimismus-getränkten Unbekümmertheit, lief App-gesteuert knapp drei Stunden 9,7 Kilometer im „märchenhaft wilden Naturpark Reinhardswald“ auf Forstwegen und an Feldern entlang, durchquerte unerschrocken den „Urwald Sababurg“ (was die Titte wieder mal zu unerträglichen Sangesreimen –
„Mach’ die Sababurg zu Deiner Kababurg“
– animierte) und kam schließlich (trotz mehrfacher Wildschweinsichtung) wohlbehalten wieder am Ausgangspunkt an … früher als geplant! Ein wenig erstaunt, aber binnen weniger Minuten fuhr der Tourmaster dort in seinem schwarzen Audi vor, um seine Freunde ins
Landgasthaus Textor (unten im Trendelburger Tal) zu einem stärkenden Lunch zu entführen. Man saß draußen und ließ die Abenteuer vom Vormittag Revue passieren. Der Nachmittag war zur individuellen Freizeitgestaltung vorgesehen; einige nutzten die Gelegenheit, um im vierten Wehrturm der Burg hinter mittelalterlichen Mauern zu saunieren … ein wahrlich spezielles Vergnügen. Abends liefen die Herren ein paar Meter zum nahegelegenen
Gasthaus Brandner, wo man in einem lauten Gastraum – jetzt ohne weibliche Begleitung – Platz nahm, um sich von den Anstrengungen des Tages zu erholen und die verbrauchten Kalorien wieder zu sich zu nehmen. Die Diskussionen wurden politisch, oszillierten zwischen Schwachsinn, Tiefsinn und Wahnsinn. Lautstark kristallisierte sich heraus, wer in Deutschland in letzter Zeit den bärigsten Bock geschossen hat. Nomen est omen! Versöhnliche Stimmen konnten sich inmitten des Tumults kaum Gehör verschaffen. Nach und nach leerten sich Teller, Gläser und die Nebentische … und bald darauf auch manche Blase, bevor man sich in Richtung Burg aufmachte, um dort in einer holzgetäfelten Nische des Vorraums (der Gastraum war schon geschlossen) noch ein wenig Flüssigkeit in die müden Körper laufen zu lassen, bevor man die Schlafgemächer aufsuchte.
21. September 2024
Ein Déjà-Vu am Morgen: Wieder Nebel im Tal, wieder junges Sonnenlicht, wieder ein Tag wie auch dem Ei gepellt. Die Herren brachen nach ausgiebigem Frühstück und selbst für Daumsche Verhältnisse großzügig bemessener Zeit zur Pflege der Körperhygiene ins Örtchen Herstelle an der Weser auf. 900 Seelen gibt es hier, hergestellt wird so gut wie nichts … aber immerhin gibt es die Möglichkeit zum Übersetzen nach Würgassen via Fähre. So konnte man schnell ans andere Ufer wechseln, um dort nach letzten Instruktionen des Tourmasters zu sechst (plus Hund) einen gemächlichen Aufstieg zu wagen. Das erste Ziel war nichts für Zeitgenossen mit Höhenangst: Seit dem Frühjahr 2011 thront auf einem der sieben nahegelegenen Felspfeiler der Weser-Skywalk, eine Aussichtsplattform auf drei Ebenen, von denen eine fünf Meter nach vorn über die Klippen ragt und einen grandiosen Ausblick ins Wesertal, auf Burg und Kloster Herstelle und die Weserorte Herstelle, Würgassen und Bad Karlshafen bietet. Beste Aussichten bei grandiosem Wetter, freilich vom schwindeligen Dubai-Daum nur kurzzeitig genossen. Dann fielen die Herren wieder ins Tal hinab, um an der Weser entlang gen Bad Karlshafen zu spazieren – in Richtung jenes Ortes also, wo sie schon im Jahr 2010 ihr Unwesen getrieben hatten. Dort gab’s nach Überquerung der Brücke erst mal eine Erfrischung im Eis-Café Cortina, ehe man das Domizil von vor 14 Jahren, den „Hessischen Hof“, erneut kurz aufsuchte. Das Hotel erfreut sich trotz der lange zurückliegenden Exzesse nach wie vor großer Beliebtheit, mehr noch: es hat sich seitdem sogar etwas herausgeputzt. Auch das Ölbild im Frühstücksraum, das 2010 als „Key Visual“ der Tour diente, hängt nach wie vor. Ebenfalls unverändert: die liebevolle Schaufensterdekoration von „Sabah’s Modehaus“, gleich um die Ecke vom Hessischen Hof (man glaubt es kaum!). Dann nahmen die Wanderer wieder Kurs auf Herstelle, wo man – nach vorübergehenden Irrungen und Wirrungen im Unterholz – schließlich nach satten 8,6 Kilometern mit ein wenig Verspätung ankam … der Tourmaster lauerte schon im Gasthaus „Zur Fähre“. Dort gab's eine Stärkung im Schatten, bei der Schlock die unerträglich gute Laune des Titterichs mit dem trockenen Kommentar „Das mit dem Frohsein könntest Du mal lassen“ unter schallendem Gelächter merklich bändigte. Zurück auf der Burg saßen die müden Wanderer dann noch ein wenig draußen auf der Terrasse und hatten anschließend Zeit für ein Nickerchen (oder sonstige Freizeitaktivitäten), ehe – diesmal wieder auf der Burg – das Dinner anstand. Was kaum einer wusste: Die Jungs sollten am letzten Abend nicht zu siebt, sondern zu acht sein, weil urplötzlich ein gut gekleideter Überraschungsgast im Raum stand: Doktor Schoko war aus Sandershausen bei Kassel angereist, um mitzuspeisen und sich prächtig im Kreise seiner Freunde zu amüsieren. Und dieses Vorhaben gelang, sein Erscheinen trieb die Stimmung in höchste Höhen – es war ein großartiger Abend voller Exstase, die nach dem Dessert beim Fotoshooting im Außenbereich zwecks Anfertigung eines Gruppenbilds regelrecht explodierte.
22. September 2024
Der Sonntagmorgen präsentierte sich grau und vernebelt … das Wetter machte den Abschied leicht. Nach dem Frühstück brachen die Herrenwanderer auf in ihre Heimatstädte, um sich frühestens an Weihnachten, spätestens aber im nächsten September in trauter Runde wiederzusehen. Zum Tourmaster 2025 wurde Schlock erkoren, der bestimmt schon ein schönes Ziel in unserer Bananenrepublik im Blick hat. Und nächstes Mal, so der einhellige Vorsatz der Truppe, sind wir dann hoffentlich – nach dem Comeback von van Benderchem – auch wieder zu acht … möglicherweise sogar zu neunt, weil sich der Schokoladendoktor doch endlich mal wieder mehrere Abende hintereinander amüsieren will. „See what happens“, wie unser alter und unvergessener Freund O’ Hara immer zu sagen pflegte ...
Die Landschaft
Die Herren
Die Wanderungen – relived!

Die Herrenwanderer, am Samstag, 21. September 2024, abends im Burghof.